Die Erstellung von Fairness Opinions ist weder gesetzlich gefordert, noch gibt es rechtlich bindende Vorgaben für deren Erstellung. Dennoch ist die Fairness Opinion von zentraler Bedeutung für die erfolgreiche Umsetzung von Unternehmenstransaktionen und damit ein wichtiges begleitendes Instrument für den volkswirtschaftlichen Strukturwandel.
Eine Fairness Opinion ist ein zentrales Instrument für Unternehmensorgane zur Beurteilung von Unternehmenstransaktionen. Dabei prüft der Ersteller der Fairness Opinion, ob der gebotene Preis z. B. für einen Unternehmenserwerb oder eine öffentliche Übernahme aus Sicht des beauftragenden Organs finanziell angemessen ist. Damit sorgt die Fairness Opinion für eine gezielte Enthaftung der beauftragenden Organe. Darüber hinaus ist ein gutes Fairness Opinion Regime ein Zeichen verantwortungsvoller Corporate Governance. Die DVFA hat jetzt eine Komplettüberarbeitung und -erweiterung ihrer Grundsätze für die Erstellung von Fairness Opinions erarbeitet.
Zunehmender Bedarf an Fairness Opinions erwartet
Der Markt für Unternehmenstransaktionen ist in den letzten Jahren gewachsen, internationaler geworden und hat sich weiter spezialisiert. Viele M&A-Experten erwarten für die nächste Dekade eine weitere Zunahme von Unternehmenstransaktionen in Deutschland. Das liegt zum einen an der Transformation hin zu einer CO2-neutralen Volkswirtschaft, zum anderen an der demographischen Entwicklung. Entsprechend wird erwartet, dass auch der Einsatz von Fairness Opinions steigen wird.
Vor diesem Hintergrund hat die DVFA unter Leitung von Prof. Schwetzler, HHL Leipzig Graduate School of Management, und stellvertretender Leitung von Prof. Christian Aders, ValueTrust, eine umfassende Aktualisierung ihrer Grundsätze für Fairness Opinions erstellt. Die Expertengruppe setzt sich aus erfahrenen Bewertungsspezialisten, Finanzanalysten, Kapitalmarktjuristen und Wissenschaftlern der Finanzwirtschaft zusammen.
Der neue Best Practice Standard der DVFA ist eine fundierte Richtschnur nicht nur für öffentliche Unternehmensübernahmen nach § 27 WpÜG, sondern auch ein Leitfaden für private Transaktionen bei denen die Parteien oder die Zielgesellschaft nicht börsennotiert sind.
Rechtliche Berater weisen den Weg
Dabei ist insbesondere entscheidend, dass die rechtlichen Berater der Organe auf den Mehrwert unabhängiger Fairness Opinions im Rahmen von Unternehmenstransaktionen hinweisen und was im Einzelfall bei der Mandatierung für die Erstellung einer Fairness Opinion zu beachten ist. Durch die Erstellung einer Fairness Opinion erfolgt eine Enthaftung der Organe und es wird ein objektiver Nachweis für die Einhaltung der Business Judgement Rule nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG durch die Organe erbracht. Aus Kapitalmarktsicht führt der Einsatz von Fairness Opinions zusätzlich zu einer deutlich verbesserten Transparenz bei öffentlichen Übernahmen.
Fairness Opinions sind heute schon Best Practice…
Eine Analyse der HHL unter Leitung von Prof. Schwetzler über öffentliche Übernahmen hat für den Zeitraum von 2014 bis 2022 ergeben, dass rund 70 % aller Transaktionen durch eine Fairness Opinion begleitet wurden. Damit ist die Erstellung einer Fairness Opinion bei öffentlichen Transkationen bereits Standard – auch wenn noch Luft nach oben besteht. Bei privaten Transaktionen zu denen insbesondere auch große Private Equity-Transaktionen gehören, gibt es keine verfügbaren Daten.
…aber die Unabhängigkeit fehlt
Eine weitere Analyse von Prof. Schwetzler über den Zeitraum 2019 bis 2022 hat ergeben, dass rund 70 % der Fairness Opinions bei öffentlichen Übernahmen durch das die Transaktion strukturierende Beratungshaus erstellt wurden. Berater sind hier in der Regel die großen internationalen Investmentbanken. Dabei ist zu hinterfragen, inwieweit hier die Unabhängigkeit gewahrt wird, wenn der erfolgsabhängig vergütete Transaktionsberater und der Ersteller der Fairness Opinion aus einem Haus stammen. Die DVFA empfiehlt vor diesem Hintergrund für die Erstellung einer Fairness Opinion, einen unabhängigen Dritten zu mandatieren, um so möglichen Interessenkonflikten vorzubeugen. In jedem Fall sind mögliche Interessenkonflikte aufzudecken und eine erfolgsunabhängige Vergütung für die Ersteller der Fairness Opinion sicherzustellen.
Deshalb spricht sich die DVFA dafür aus, diese Empfehlung auch in den Corporate Goverance Kodex aufzunehmen. Die Unabhängigkeit der Ersteller einer Fairness Opinion gehört aus Sicht der DVFA zu einer verantwortungsvollen Corporate Governance.
Fairness Opinion und Nachhaltigkeit
Da die Fairness Opinion explizit die finanzielle Angemessenheit einer Transaktion beurteilt, stellt sich die Frage, inwieweit ESG-Kriterien bei der Erstellung einer Fairness Opinion eine Rolle spielen. Dies ist eine berechtigte Fragestellung. Es umschließt die Frage, wie ESG-Faktoren in die Unternehmensbewertung, die der Fairness Opinion zu Grunde liegt, einfließen. Die DVFA Grundsätze für die Erstellung von Fairness Opinions machen dem Ersteller der Fairness Opinion keine detaillierten Bewertungsvorgaben. Insoweit sollte der Ersteller ESG-Themen in die Bewertung dann einbeziehen, wenn diese einen relevanten Einfluss auf die Unternehmensbewertung haben und damit das Urteil der finanziellen Angemessenheit beeinflussen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Fairness Opinions in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen werden, nicht nur um sich als Organ vor möglichen Haftungsrisiken zu schützen, sondern auch als Teil einer verantwortungsvollen Corporate Governance. Die Unabhängigkeit des Erstellers von Fairness Opinions wird deshalb zukünftig eine zunehmende Rolle spielen.
Die komplette Ausarbeitung „Grundsätze für die Erstellung von Fairness Opinions“ finden Sie unter https://dvfa.de/themen/standards/
Von Thorsten Müller, Geschäftsführer Lighthouse Corporate Finance GmbH und Vorstandsvorsitzender DVFA e. V.
Erschienen in der Börsen-Zeitung vom 06. April 2023 in der Rubrik „Ansichtssache“